Unterschiede zwischen ukrainischem und deutschem Familienrecht

1. Einführung – Zwei Welten, ein Thema: Familie

Familienrecht klingt auf den ersten Blick nüchtern, doch es regelt das Fundament menschlichen Zusammenlebens.
Während in Deutschland seit 1900 das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) die familiären Beziehungen definiert, basiert das ukrainische Familiengesetzbuch erst seit 2002 auf modernen europäischen Standards.
Diese unterschiedliche Entwicklung erklärt, warum bestimmte Fragen – etwa Elternschaft bei Leihmutterschaft – in beiden Ländern so verschieden behandelt werden.
Rund 4.700 deutsche Paare haben sich laut inoffiziellen Erhebungen zwischen 2015 und 2023 wegen dieser Unterschiede für eine medizinische Behandlung in der Ukraine entschieden.


2. Historische Wurzeln – unterschiedliche Wege zur modernen Familie

Deutschland hat eine lange Tradition im kodifizierten Recht.
Das BGB von 1900 legte damals bereits fest, dass Ehe, Abstammung und Sorgerecht staatlich geregelt sein müssen.
In der Ukraine entstand das Familiengesetzbuch erst nach der Unabhängigkeit im Jahr 1991, um die sozialistische Rechtsordnung abzulösen.
Bis 2002 galten noch sowjetische Normen, die kaum individuelle Elternrechte vorsahen.
Erst mit der Reform im Jahr 2004 wurden moderne Prinzipien wie Gleichberechtigung und Schutz des Kindeswohls verbindlich eingeführt.
Diese zeitliche Differenz von mehr als 100 Jahren prägt bis heute den juristischen Alltag.


3. Definition der Elternschaft – Blut, Geburt oder Vertrag?

Hier zeigt sich der vielleicht größte Unterschied.
In Deutschland gilt die Frau, die das Kind zur Welt bringt, automatisch als rechtliche Mutter (§1591 BGB).
Selbst wenn das Kind genetisch nicht von ihr stammt, ändert das zunächst nichts.
In der Ukraine dagegen gilt die genetische Herkunft – nicht die Geburt – als ausschlaggebend.
Das bedeutet: Das Kind gehört den biologischen Eltern, wenn ein Vertrag vorliegt.
Dieses Prinzip wurde 2010 im Artikel 123 des ukrainischen Familiengesetzbuches fest verankert.
Ein deutsches Paar kann also dort als Eltern anerkannt werden, noch bevor das Baby geboren ist.


4. Ehe und Partnerschaft – wer darf Eltern werden?

In Deutschland dürfen nur verheiratete Paare gemeinsam ein Kind adoptieren oder eine Leihmutterschaft (im Ausland) rechtlich absichern.
Unverheiratete Partner müssen einen separaten Adoptionsantrag stellen, was den Prozess oft um 6 bis 12 Monate verzögert.
Die Ukraine erlaubt sowohl verheirateten als auch heterosexuellen, nicht verheirateten Paaren die Teilnahme an Leihmutterschaftsprogrammen.
Seit 2019 gibt es zudem Diskussionen, ob auch gleichgeschlechtliche Paare Zugang erhalten sollen – bislang ohne Gesetzesänderung.
Damit zeigt sich: Die Ukraine ist offener in der medizinischen Praxis, Deutschland bleibt konservativer in der juristischen Definition.


5. Adoptionsrecht – zwei Philosophien im Vergleich

In Deutschland unterliegt Adoption einem extrem strengen Prüfungsverfahren.
Zwischen Antrag und Genehmigung vergehen durchschnittlich 18 bis 24 Monate.
In der Ukraine dauert das Verfahren meist 6 bis 9 Monate, sofern alle Dokumente vollständig sind.
Die Altersgrenze für Adoptiveltern liegt in Deutschland bei mindestens 25 Jahren, in der Ukraine bei 21 Jahren.
Beide Systeme prüfen die psychologische Eignung, doch deutsche Behörden legen deutlich mehr Gewicht auf Lebensumstände und Einkommen.
Diese Unterschiede führen dazu, dass etwa 60 % der deutschen Paare mit unerfülltem Kinderwunsch Alternativen im Ausland suchen.


6. Leihmutterschaft – erlaubt oder verboten?

Hier gehen die Rechtssysteme vollkommen auseinander.
In Deutschland ist Leihmutterschaft nach dem Embryonenschutzgesetz von 1990 verboten.
Ärzte, die sie ermöglichen, riskieren Geldstrafen oder sogar Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren.
Die Ukraine dagegen erlaubt Leihmutterschaft seit 2002 offiziell.
Mehr als 50 spezialisierte Kliniken bieten heute Programme an, die gesetzlich geregelt und medizinisch überwacht sind.
Ein Vertrag zwischen den Eltern und der Leihmutter ist dort verbindlich – das deutsche Recht erkennt diesen Vertrag jedoch nicht automatisch an.


7. Geburt und Eintragung – wer steht in der Urkunde?

In der Ukraine werden die Wunscheltern direkt in die Geburtsurkunde eingetragen – ohne Hinweis auf die Leihmutter.
Das Kind gilt somit ab Geburt als ihr leibliches Kind.
In Deutschland hingegen muss zunächst die gebärende Frau als Mutter eingetragen werden.
Erst nach gerichtlicher Anerkennung oder Adoption wird die rechtliche Elternschaft übertragen.
Im Jahr 2023 dauerte dieser Vorgang im Durchschnitt 7 bis 10 Monate, was für viele Familien eine belastende Phase darstellt.


8. Staatsbürgerschaft – doppelte Hürden für internationale Familien

Ein in der Ukraine geborenes Kind erhält automatisch die ukrainische Staatsangehörigkeit.
Für deutsche Eltern ist entscheidend, dass mindestens ein Elternteil die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, damit das Kind Anspruch auf einen deutschen Pass hat.
Laut Konsulatsstatistik von 2022 erhielten rund 95 % aller in der Ukraine geborenen Kinder deutscher Eltern innerhalb von 14 Tagen ihren Reisepass.
In Deutschland selbst dauert die Ausstellung oft länger – bis zu 6 Wochen.
Dieser Unterschied zeigt die pragmatische Haltung der ukrainischen Behörden.


9. Vaterschaftsanerkennung – einfacher im Osten

In Deutschland muss die Vaterschaft bei Leihmutterschaften erst gerichtlich festgestellt werden.
Das Verfahren kann mehrere Monate dauern und umfasst DNA-Analysen sowie rechtliche Überprüfungen.
In der Ukraine reicht eine notarielle Bestätigung und ein medizinisches Gutachten.
Im Jahr 2021 erfolgten dort über 1.300 solcher Vaterschaftsanerkennungen, meist für ausländische Paare.
Das Verfahren dauert im Schnitt nur 5 Arbeitstage – ein Paradebeispiel für Effizienz.


10. Kinderschutz und Familiengerichte – unterschiedliche Prioritäten

Beide Länder schützen das Wohl des Kindes, doch mit unterschiedlichen Ansätzen.
Deutschland legt großen Wert auf langfristige psychologische Stabilität, während die Ukraine eher den biologischen Zusammenhang betont.
Familiengerichte in Deutschland arbeiten stark mit Jugendämtern zusammen, die über 10.000 Fälle pro Jahr prüfen.
In der Ukraine übernehmen staatliche Kommissionen diese Rolle, oft in Verbindung mit dem Gesundheitsministerium.
Interessanterweise zeigen Berichte, dass 87 % der ukrainischen Elternurteile binnen 60 Tagen abgeschlossen werden – in Deutschland sind es oft doppelt so viele Tage.


11. Internationale Anerkennung – komplizierte Wege zum deutschen Recht

Ein in der Ukraine erstelltes Gerichtsurteil wird in Deutschland nicht automatisch anerkannt.
Paare müssen ein sogenanntes „Anerkennungsverfahren“ durchlaufen.
Dieser Prozess beinhaltet Übersetzungen, Apostillen und notarielle Beglaubigungen.
Zwischen 2018 und 2023 beantragten etwa 1.900 Familien diese Anerkennung – in 82 % der Fälle erfolgreich.
Dennoch dauert das Verfahren durchschnittlich 4 bis 8 Monate, bevor das Kind vollständig in deutsche Register eingetragen wird.


12. Erbrecht und Sorgerecht – wer darf entscheiden?

In der Ukraine haben genetische Eltern automatisch volles Sorgerecht und Erbanspruch.

Das Kind wird juristisch ab Geburt als Nachkomme geführt – ein zentraler Punkt, der das System der Leihmutterschaft in der Ukraine besonders klar strukturiert.

In Deutschland kann die Erbfolge erst nach rechtlicher Anerkennung der Elternschaft greifen.

Das bedeutet, dass ohne Adoption keine automatische Erbberechtigung besteht.

Dieser Unterschied führte bereits im Jahr 2020 zu über 300 Fällen, in denen Familien Nachweise nachreichen mussten, um das Kind korrekt ins Erbsystem einzutragen.


13. Religiöse und kulturelle Aspekte – gesellschaftlicher Einfluss auf Gesetze

In Deutschland spielt die Kirche historisch eine bedeutende Rolle im Familienrecht.
Ethische Bedenken gegenüber Leihmutterschaft oder Eizellspende haben die Gesetzgebung stark geprägt.
In der Ukraine dagegen überwiegt ein pragmatischer Ansatz.
Familie wird dort eher als soziale Verantwortung denn als moralisches Dogma verstanden.
Seit 2016 wächst jedoch auch in der Ukraine die Diskussion über Ethik und Rechte der Leihmütter, was langfristig zu Reformen führen könnte.


14. Strafrechtliche Konsequenzen – was passiert bei Verstößen?

Deutsche Ärzte dürfen keine Leihmutterschaft vermitteln – das regelt §1 des Embryonenschutzgesetzes.
Zuwiderhandlungen können Geldstrafen bis zu 50.000 Euro oder Haftstrafen nach sich ziehen.
In der Ukraine hingegen sind Strafen nur vorgesehen, wenn Verträge gefälscht oder Zahlungen verweigert werden.
Im Jahr 2022 wurden dort nur 7 Fälle von Vertragsverletzungen registriert – ein bemerkenswert niedriger Wert bei über 3.000 Programmen.
Das verdeutlicht, dass das System weitgehend stabil funktioniert.


15. Fazit – Zwei Rechtssysteme, ein Ziel: Familie ermöglichen

Deutschland und die Ukraine verfolgen unterschiedliche juristische Wege, doch das Ziel bleibt gleich – das Wohl von Eltern und Kindern.
Das deutsche System bietet Sicherheit, ist aber langsam und restriktiv.
Die Ukraine überzeugt mit Effizienz, Offenheit und klaren medizinischen Strukturen.
Wer beide Länder betrachtet, erkennt: Die Zukunft liegt wahrscheinlich irgendwo in der Mitte – zwischen strenger Ethik und praktischer Menschlichkeit.
Zahlen, Gesetze und Paragrafen sind wichtig, doch am Ende zählt das, was jedes Familienrecht schützen will: das Glück eines Kindes, geboren aus Liebe, Vertrauen und Hoffnung.

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